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Der dingliche Arrest im niederländischen Recht - conservatoir beslag

Kristina Adam

Kristina Adam Anwältin (Senior)

Das dingliche Arrest im niederländischen Recht

Immer wieder sind unsere ausländischen Mandanten überrascht, wenn wir ihnen erläutern, dass es nach niederländischem Recht relativ einfach ist, einen dinglichen Arrest, sogenannten conservatoir beslag, vorzunehmen. Was ist denn ein conservatoir beslag eigentlich?

Das niederländische Zivilprozessrecht unterscheiden zwischen dem executoriaal beslag(Zwangspfändung) und dem conservatoir beslag.

Die Zwangspfändung –executoriaal beslag

Eine Zwangspfändung kann in den Niederlanden durchgeführt werden, wenn der Gläubiger eine titulierte Forderung (bspw. ein Urteil) erstritten hat oder im Besitz eines anderen vollstreckbaren Titels ist (bspw. eine notarielle Urkunde). Die Zwangspfändung wird durch einen Gerichtsvollzieher vorgenommen. Er pfändet dann z.B. ein Bankkonto und zieht das Salo ein. Oder er pfändet das Gehalt oder eine Immobilie, die dann versteigert wird.

Der dingliche Arrest –conservatoir beslag

Der dingliche Arrest ist eine Art Sicherheit für den Gläubiger. Ein Gläubiger, der sicherstellen will, dass sich der Schuldner nicht der Vollstreckung entzieht, kann durch einen conservatoir beslag Vermögenswerte „blockieren“. Der dingliche Arrest kann bereits dann beantragt werden, wenn der Gläubiger noch keinen gerichtlichen Titel erstritten hat. Also erst wird gepfändet, und dann wird prozessiert. Dadurch wird der dingliche Arrest zu einer gefährlichen Waffe im Arsenal des Gläubigers.

Das niederländische Recht unterscheidet mehrere Sorten von conservatoir beslag:

  1. auf bewegliche Sachen;
  2. Pfändung bei Dritten, z.B. Kunden des Schuldners;
  3. Pfändung bei dem Gläubiger selber, z.B. wenn er noch Gegenstände vom Schuldner bei sich hat;
  4. auf unbewegliche Sachen (Immobilien); und
  5. gegen Personen, ohne Wohnort in den Niederlanden (vreemdelingenbeslag).

Voraussetzungen des dinglichen Arrests

Voraussetzung für jede Art des dinglichen Arrests ist die vorherige Erlaubnis (verlof) des Richters im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (voorzieningenrechter). Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts hängt von der Art des dinglichen Arrests ab. Der Antrag auf dinglichen Arrest wird mittels einer Antragsschrift (verzoekschrift) durch einen Anwalt gestellt. Bei den meisten Gerichten kann der Antrag heutzutage per E-Mail eingereicht werden.

Die Gerichte haben ein Handbuch (beslagsyllabus, zu finden auf www.rechtspraak.nl) erstellt, in welchem die doch sehr speziellen Regeln zum conservatoir beslag erläutert werden. Dieses Handbuch wird durch die Gerichte bei der Beurteilung der Anträge zur Rate gezogen, und bietet daher auch den Anwälten einen guten Leitfaden für die Erstellung der Anträge auf Erlass des dinglichen Arrests. So enthält das Handbuch Formulierungen für die Antragsschrift, Hinweise zur Rechtsprechung und zahlreiche praktische Tipps, wie Gericht mit den Antragen umgehen.

Nachdem der Antrag eingereicht wurde, muss der Antragsteller auch Gerichtsgebühren zahlen.

Entscheidung des voorzieningenrechters

Das Gericht entscheidet nach einer summarischen Prüfung des Antrags. Dabei wird geprüft, ob der Antrag die formalen Anforderungen erfüllt und ob die Forderung für das Gericht „Hand und Fuß hat“. Wenn dem Gericht die Forderung zu schwach oder undeutlich ist, wird der Antrag abgewiesen. Auch wird das Gericht die Interessen des Gläubigers gegenüber denen des Schuldners abwägen und prüfen, ob der dingliche Arrest für den Schuldner nicht zu einschneidend und belastend ist. Wenn ein Schuldner bspw. Immobilien hat, aber nur das Konto gepfändet werden soll, könnte dies unverhältnismäßig sein. Denn eine Pfändung einer Immobilie tut meist „weniger weh“ als die Blockade des Bankkontos.

Die Parteien werden in der Regel nicht vorab gehört, die Möglichkeit besteht aber. Dies ist auch verständlich, da der conservatoir beslag ja gerade dazu dient, den Schuldner zu überraschen und ihn daran zu hindern, Vermögenswerte wegzuschleusen. Wird der Schuldner vorab gehört, wäre das Überraschungsmoment verloren. Nur bei einem dinglichen Arrest auf Lohnzahlung und andere periodische Zahlung ist es zwingend vorgeschrieben, dass der Schuldner erst angehört wird.

Oft entscheiden die Gerichte schnell auf den Antrag, mitunter sogar noch am selben Tag.

Der weitere Verlauf

Nachdem dem Antrag auf dinglichen Arrest stattgegeben wurde, kann der Gerichtsvollzieher diesen dinglichen Arrest an den Schuldner zustellen und direkt die Pfändung zur Sicherheit durchführen. Daraufhin muss der Gläubiger in der Regel innerhalb von 14 Tagen seine Forderung bei Gericht anhängig machen, in der Regel, indem ein normales Gerichtsverfahren begonnen wird. Diese Frist von 14 Tagen kann verkürzt, aber auch verlängert werden. Wird innerhalb dieser Frist das Hauptverfahren nicht anhängig gemacht, verfällt der dingliche Arrest.

Das Gericht kann an den Antrag auch Bedingungen knüpfen, z.B. dass der Gläubiger eine Sicherheitsleistung erbringt. Auch kann gefordert/angeordnet werden, dass die beweglichen Sachen, die gepfändet werden sollen, an einen durch das Gericht zu bennenden Verwahrer abgegeben werden. Die Kosten dieses Verwahrers trägt der Gläubiger.

Aufhebung desconservatoir beslag

Gegen die Stattgebung des Antrags auf dinglichen Arrest steht kein Rechtsmittel offen. Der Schuldner, der den dinglichen Arrest aufheben will, muss ein gerichtliches Eilverfahren anhängig machen (opheffings kort geding). Einem Antrag auf Aufhebung wird in der Regel stattgegeben, wenn der Schuldner eine entsprechende Sicherheitsleistung erbringt (Zahlung des geforderten Betrags auf ein Treuhandkonto, Bankbürgschaft).

Die Kontenpfändung – bankbeslag

Da die meisten Schuldner nicht sehr beeindruckt sind, wenn ein Gläubiger sein Wohnhaus zur Sicherheit pfändet (es sei denn, der Schuldner will dieses gerade verkaufen) und auf einer Immobilie zumeist Hypotheken ruhen, ist die Kontenpfändung das geeignetste Mittel, Vermögenswerte sicherzustellen.

Eine Kontenpfändung ist immer nur eine Momentaufnahme. Nur die Gelder, die sich zu dem Zeitpunkt der Pfändung (also dem Moment, zu dem der Gerichtsvollzieher die Bank besucht) auf einem Bankkonto befinden, unterliegen dem dinglichen Arrest. Überweist der Schuldner am Tag nach der Pfändung Millionen auf sein Bankkonto, unterliegen diese Gelder nicht der Pfändung. Der Gläubiger muss somit ein wenig Glück haben.

Im Grunde muss der Gläubiger in seinem Antrag auf Erlass des dinglichen Arrests die Bank und – wenn möglich – die Bankkonten benennen, bei der/denen der Gläubiger seine Bankgeschäfte abwickelt. Aber, auch eine sogenannte Multi-Banken-Pfändung (multi-bankbeslag) ist möglich. Dabei wird unter den größten niederländischen Banken ein dinglicher Arrest vorgenommen, in der Hoffnung, dass die Bank des Schuldners darunter ist. Eine solche „fishing expedition“ ist möglich, allerdings wird das Gericht besonders prüfen, ob die Pfändung verhältnismäßig ist. Ist der Anspruch des Schuldners (relativ) gering, kann das Gericht die Pfändung auf einige Banken beschränken.

Innerhalb von vier Wochen nach der Pfändung muss die Bank dem Gerichtsvollzieher mitteilen, ob die Pfändung erfolgreich war.

Risiko des dinglichen Arrests

Der Antrag kostet neben den Anwaltskosten auch Gerichtskosten und die Kosten des Gerichtsvollziehers. Der Gläubiger muss diese Kosten erst mal vorschießen. Und wenn der Gläubiger das Verfahren gewinnt aber die Pfändung erfolgt los war, bspw. weil auf dem gepfändeten Konto kein Geld war, steht er am Ende mit leeren Händen.

Wenn er das Verfahren verliert, war die Pfändung unrechtmäßig und muss der Gläubiger den Schaden, den der Schuldner erlitten hat, ersetzen.

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